Trigger-Warnung: Der nachfolgende Text enthält eine Szene, in der es zu sexueller Gewalt kommt.
Part 1:
Das Gewissen macht aus uns allen Subjekte
Es ist mittags und wir haben Schulschluss. Herr Böhmke ging mir heute wieder richtig auf die Nerven, aber ich traue mich nicht, das zu zeigen, weil er mich sowieso hasst, glaube ich. Jedes Mal, wenn wir am Montag in der ersten Doppelstunde mit ihm Deutsch haben und ich mir wiedermal die letzten 10 Minuten des vorherigen Sonntagabend Zeit für die Hausaufgaben genommen habe, die ich natürlich auf keinen Fall vorlesen möchte, beginne ich zu überlegen, welche Bewegungen und Handlungen ihn davon abhalten würden, mich unaufgefordert ranzunehmen. Wenn er gestresst, grimmig schauend und nach Nikotin und Magensäure stinkend das Klassenzimmer betritt, dann versichere ich mich, dass er sieht, wie ich etwas für die Gemeinschaft tue. Beispielsweise wische ich dann die Tafel (extra nass), fege den Klassenraum, oder aber ich stelle mich zu den Almans. Die Rubrik von Almans, die aufgrund ihrer Nerdigkeit nie unaufgefordert rangenommen werden, weil sie von Herrn Böhmke gar nicht erst in die Kategorie kommen. Vielleicht kleide ich mich einfach das nächste Mal mehr zockerbrautmäßig? Letztens habe ich gehofft, dass er die Punk-Version meiner selbst mit dem Iggy Pop-Pullover sympathisch fände, aber wahrscheinlich hat er gar keinen Musikgeschmack. Schlussendlich bedeutet das für mich weitere Persönlichkeiten überstülpen bis er mich wahrnimmt und erkennt, dass meine Texte genauso gut sind wie die von Luisa.
Ich meine, was bringt das unaufgeforderte Rannehmen schon? Dadurch entsteht meistens kein besonderer Lernerfolg. Im Gegenteil: Die meisten Kinder aus meiner Klasse machen ihre Hausaufgaben nicht, weil sie faul sind und nur Detektiv Conan auf RTL2 schauen wollen. Wenn ich mir die Hausaufgaben durchlese, dann folgt darauf zunächst einmal ein Ohnmachtsgefühl, da ich meistens mit den Aufgaben überfordert bin und es mir schwerfällt, den Anfang zu machen. Die Mitschülerinnen und Mitschüler, die sich melden, um ihre Hausaufgaben zu präsentieren, bekommen meistens Unterstützung von zu Hause oder haben ältere Geschwister, die ihnen helfen, die vielleicht sogar die gleichen Hausaufgaben bei dem selben Lehrer oder der selben Lehrerin bearbeitet haben.
Die einzigen Fächer, in denen ich gut bin, sind Musik, Ethik und Kunst. Mein Vater fängt dann immer an zu lachen, wenn er meine Einser in diesen Fächern auf dem Zeugnis sieht und behauptet, das seien Spaßfächer. Ich glaube, das stimmt nicht. Ich bin jedes Mal gespannt auf die Themen, in die uns unser Ethiklehrer, Herr Borgmann, einführt. Einmal, nach unserer ersten Klassenfahrt in der Oberschule, das war in der 8. Klasse, habe ich einen Brief an alle meine Mitschülerinnen und Mitschüler geschrieben und wollte meine Begeisterung für diese Fahrt zum Ausdruck bringen. Ich hatte es zwar nicht im Brief erwähnt, aber auf dieser Klassenfahrt fühlte ich mich zum ersten Mal richtig befreit. Ich konnte anziehen, was ich wollte, ich konnte mit egal wem abhängen und ich durfte wann und wo ich wollte mit meinen Freundinnen und Mitschülern Zeit verbringen. Ich war niemandem etwas schuldig und mich hat keiner verurteilt.
Den Brief fanden leider nicht alle so toll, wie ich ihn empfand. Eigentlich dachte ich, dass mich dadurch vielleicht auch die Mitschüler und Mitschülerinnen mögen würden, zu denen ich noch keine richtige Verbindung aufbauen konnte.
Herr Borgmann fand den Brief, den ich für alle kopiert hatte, auf dem Schreibtisch vor der Tafel und las ihn vor, das war mir unangenehm. Er fragte, ob die anderen die Klassenfahrt genauso positiv erlebt haben und ein paar Mitschüler*innen verneinten die Frage. Sie hätten sich ausgeschlossen gefühlt und waren froh, dass sie wieder zu Hause waren. Das waren auch die Schülerinnen und Schüler, die ich in der Oberstufe nicht mehr in den Fluren und Gängen gesehen habe.
Es überkam mich eine große Welle von Scham. Ich hatte total Schiss, jemanden aus der Klasse verletzt zu haben.
An diesem Wochenende durfte ich zum ersten Mal in diesem Monat bei meiner besten Freundin Luisa übernachten. Ich hatte mich so gefreut, weil es Samstag Vormittag war und ich wusste, wenn ich jetzt schon zu Luisa gehen würde, dann könnte ich es schaffen, meinem Vater aus dem Weg zu gehen. Zu dem Zeitpunkt, wenn mein Vater Samstag Mittag endlich frei hat, fängt das Wochenende immer an zu kippen und ich würde am liebsten die komplette Zeit bis Montag Morgen unter der Decke mit Kalimero verbringen. Immer wenn ich weine, dann schleckt Kalimero meine Wange und dann muss ich eigentlich noch mehr weinen, aber erinnere mich daran, dass ich stark bin und nicht im Selbstmitleid landen möchte, denn das ist nichts für mich.
Bei Luisa gibt es immer Süßigkeiten von Ferrero, also solche Dinge wie das originale Nutella, KitKat oder andere Lebensmittel, die es eigentlich nur bei Rewe gibt. Wir kaufen nie bei Rewe ein. Meistens gehe ich mit meiner Mutter nach der Schule zu Lidl oder Netto. Als wir das letzte Mal dort waren, ging es meiner Mama nicht gut, weil sie Probleme mit dem Blutdruck hat. Ich weiß meistens in den Situationen nicht, was ich machen soll und fühle mich ziemlich hilflos, weil ich ihr so gerne etwas Gutes tun möchte, darauf sagt sie meistens, dass sie sich hinlegen müsse und autogenes Training machen, das würde helfen.
Als ich bei Luisa in ihrem Einfamilienhaus landete, freute ich mich schon auf das spätere Essen und die vielen Filme und Serien, die wir bei ihr gucken konnten.
Die meiste Zeit läuft bei ihrer Familie am Wochenende der Fernseher und es laufen die Programme Pro7, RTL, RTL2 oder Vox. Sie schauen komplett andere Serien als meine Eltern. Wir gucken zu Hause fast immer nur Natur-Dokus oder Nachrichten und wenn meine Mama geschafft hat, meinen Papa ins Schlafzimmer zu manövrieren, können wir auch Mal DSDS oder Popstars schauen, das ist für mich dann meistens das Highlight der Woche. Mit meinem Vater fernzusehen ist meistens anstrengend. Ich schaue gerne romantische Filme und in dem Moment, wenn ich richtig drin bin, schaltet er weg. Meistens schaltet er aus dem Grund weg, weil Menschen sich im Fernsehen körperlich näherkommen und sagt dabei das Wort, welches in meinem Inneren den Schamknopf drückt.
Luisa und ich saßen auf ihrem Sofa in ihrem Zimmer und sie erzählte mir von dem Kuss zwischen ihr und Cem. Cem ist übrigens mein bester Kumpel und Luisa meine beste Freundin. Ich würde auch gerne so etwas wie die beiden haben, aber ich glaube, dass ich darauf noch ein bisschen länger warten muss als Luisa oder Cem.
Mein Vater rief mich an und schrie ins Telefon, dass meine Mutter gerade vom Krankenwagen abgeholt wurde und sie zu hohen Blutdruck hatte. Ich hatte keine Ahnung, welche Zahlen ungesund und welche es nicht sind, aber ich empfand die Situation als alarmierend. Mein Vater war noch auf Arbeit, aber er schrie mich am Telefon an, was ich für eine Tochter wäre, die ihre Mutter so im Stich lassen würde. Danach rief meine Oma an, die mit im Krankenhaus war und mir versicherte, dass alles in Ordnung sei und ich mir keine Sorgen machen müsse, denn Mama ginge es schon besser. Sie überließen mir die Entscheidung, ob ich nun zu ihnen fahre oder bei Luisa bleibe. Da ich es bei Luisa nicht aushielt, weil ich mir zu große Sorgen machte und außerdem umhüllt von Schuldgefühlen war, rief ich meinen Opa an, der mich dann abholte. Ich entschuldigte mich bei Luisa. Luisas Blick war verwirrt, aber empathisch genug, um mir zu zeigen, dass es vollkommen in Ordnung war, zu gehen. Ich hatte wiederum gegenüber beiden Positionen starke Schuldgefühle und aus diesen Schuldgefühlen entwickelte sich die Angst, die Menschen, die ich liebe, zu verlieren.
Part 2:
Ich muss durch den Konsum
Der Abend war bisher sehr stressig und eigentlich hatte ich heute keine Lust zu trinken, aber ich dachte mir, dass die Lust nach dem zweiten alkoholischen Getränk schon kommen würde. Lili rief mich an und schilderte mir ihren Abendplan. Sie wollte bei ihrem aktuellen Lover auf die Homeparty gehen. Ich konnte ihren Lover nicht leiden, aber hoffte darauf, dass interessantere Menschen als er kommen würden. Zwei Wegbiere später landete ich auf der sogenannten Party. Im Wohnzimmer von Lukas stand ein Tisch mit Getränken und drum herum acht andere Menschen, denen ich ansah, dass sie erst nach drei Lines Koks über interessante Themen sprechen könnten. Irgendwann rief Rosa an, eine Kommilitonin, mit der ich am Wochenende zuvor gemeinsam eine Ausstellung eröffnet hatte. Sie fragte mich, ob ich Lust hätte, in den Club „Ten Brinke“ mitzukommen. Sie würde sich jetzt auf den Weg machen. Da ich sowieso nicht vorhatte, in Lukas’ Wohnung alt zu werden, willigte ich ohne lange zu überlegen ein und befand mich nach einer kurzen Uber-Fahrt vor dem Club. Keine Schlange und Rosa stand schon davor. Wir stolperten Richtung Türsteher und er wies uns beide ab. Als wir es nochmal einzeln versuchten, kam Rosa rein und ich wurde zum zweiten Mal abgewiesen. Ich wurde sehr wütend und verstand nicht, warum der Türsteher so entschied. Aus dem Nichts kam ein angetrunkener Typ auf mich zu und fragte mich, ob ich nicht reinkäme. Ich bestätigte ihm den Status Quo. Als wir es nochmal zusammen probierten und wieder abgelehnt wurden, fragte er mich, ob ich mit zu ihm gehen wollen würde. Ich dachte, dass irgendwas noch an dem Abend passieren musste und willigte ein, aber machte vorher klar, dass er die Taxifahrt bezahlte. Wir fuhren und fuhren und befanden uns mindestens 20km vom Stadtzentrum. Als wir ausstiegen, schaute ich um mich und uns umgaben riesen Hochhäuser und runtergekommene Plattenbauten. Ich sah mich um und suchte vergebens nach einer Haltestelle, einem Bahnhof oder irgendwas zur Orientierung. Dabei merkte ich, wie betrunken ich war. Er forderte mich auf, ihm zu folgen und ich tat es. Als wir sein Haus erreichten, empfand ich mehr und mehr Angst, aber noch mehr Angst hatte ich, mit einem toten Handy in dieser Gegend nach einer Verbindung nach Hause zu suchen. Deswegen entschloss ich mich, einfach mitzugehen und dort die Nacht zu verbringen und morgens schnell abzuhauen. Als wir bei ihm waren, sah ich nur kurz die Wohnung im Licht der großen Wohnlampe. Sie war kaum eingerichtet und es lagen zwei kleine Matratzen im Raum. Auf der einen Matratze in der Nähe der Tür legten wir uns hin und er begann, mich auszuziehen. Ich hatte absolut keine Lust, mit ihm zu schlafen. Ich hatte auch in der Dunkelheit gar kein Gesicht mehr vor mir und konnte mich nicht erinnern, wie er aussah. Weiter und weiter drängte er mich und ich stieß ihn die ganze Zeit weg.
Als ich gegen acht verkatert und orientierungslos aufwachte, war mein erster Reflex, sofort aus dieser Wohnung zu flüchten. Ich nahm meine Sachen und rannte mit den Schuhen in den Händen zur Tür. Als ich die Tür hinter mir schloss und Richtung Hausausgang lief, wurde mir klar, dass ich meine vier Ringe in der Wohnung vergessen hatte. Zwei Ringe waren von meiner Mutter, der dritte war von meiner ägyptischen Oma und der vierte war der Freundschaftsring von mir und Lili. Nein, die konnte ich nicht einfach dort liegen lassen. Ich drehte mich um und suchte nach der Wohnungstür, aus der ich gerade noch hinausgestürmt war. Der komplette Gang sah aus wie ein Hotelflur, das einzige Merkmal, welches die Türen unterschied, waren die Nummernschilder. Ansonsten sahen alle Türen gleich aus. Ich wusste nicht mehr, aus welcher ich rausgekommen war, und klingelte einfach an einer. Dort machte niemand auf. Beim nächsten Versuch machte ein etwa 15-jähriger Junge in einer 1-Zimmer-Wohnung auf. Die Wohnung roch nach Kippen und ich fragte mich, warum er alleine in dieser Wohnung stand. Er schaute verwundert und fragte mich, ob alles in Ordnung sei bei mir und ich antwortete, dass dem nicht so wäre und schilderte ihm kurz mein Vorhaben, die Ringe zu retten. Er gab mir den Tipp, dass es vermutlich die letzte Wohnung rechts sein könnte. Während ich es bei dieser Tür probierte, mehr als einmal klingelte und ein junger Mann mit einem wütenden Blick mich widerwillig in die Wohnung rein ließ, verspürte ich keine Spur von Scham. Mir war es egal, ob sie von mir genervt waren oder nicht. Das wichtigste war in diesem Moment, meine Ringe wiederzubekommen.
Er schmiss sich auf die zweite Matratze. Auf der anderen Seite lag der Typ im Tiefschlaf, der mich noch am gestrigen Abend gedrängt hatte, mit ihm zu schlafen.
Ich nahm die Ringe und rannte so schnell es ging wieder aus der Wohnung. Im Flur stand der 15-jährige Junge und wartete auf mich. Ich fragte ihn, ob wir vielleicht noch kurz zusammen abhängen wollen. Darauf willigte er ein.
Ich erzählte ihm von meinem beschissenen Abend und er fing mich sensibel auf. Wir redeten später über HipHop- und Rapmusik und kamen auf einen Rapper aus Berlin, den wir beide auf’s Übelste abfeierten, denn wir kamen beide aus Berlin. Ein paar Tracks und Kippen später meinte ich, dass ich nach Hause müsse und er brachte mich zum S-Bahnhof. Mittlerweile wusste ich, dass ich mich im Bezirk Marzahn befand. Ich kaufte uns Capri-Sonnen und wir verabschiedeten uns.
Part 3:
Die Versöhnung mit der Ausweglosigkeit
Ich lebe in einer Wohnung irgendwo in einem Stadtteil, der aussieht, als läge er im Nahen Osten. Ich verlaufe mich die ganze Zeit wie in einem Loop und vergesse ständig, wo ich wohne, wo ich zu Hause bin.
Als ich zu Hause bin, das Zuhause in Deutschland, schaue ich mir Pornos an und masturbiere mit viel Gleitgel, denn eigentlich fühle ich mich wie eine vertrocknete Knoblauchzehe. Du fässt einmal in die vertrocknete Knoblauchzehe und deine Finger tauchen ins Leere.
Das Gleitgel ist überall und klebt unangenehm. Ich schlafe ein und wache an meinem Arbeitsplatz auf. Auf einmal betreten meine Arbeitskolleg*innen den Raum und neben mir liegt benutztes Sexspielzeug. Das Gleitgel hat meinen Laptop durchtränkt und er funktioniert nicht mehr. Er ist total biegsam, als ich das merkte werde ich total wütend auf mich selber und raste komplett aus. Das ist das Letzte, was ich gerade gebrauchen kann. Ich habe kein Geld für einen neuen Laptop und meine Arbeitskolleg*innen haben absolut kein Verständnis für meine Verzweiflung. Kauf dir halt einen neuen.
Berlin: Irgendwo zwischen Mitte und Kreuzberg
Auf einem großen leeren Fleck hinter einem Altbauwohnhaus blenden Szenen ein, wie mein Vater eine Szene macht und sich über mich aufregt, mich anschreit, mir Dinge vorwirft und ich würdige ihn keines Blickes. Hinter mir steht Burak und beide umringen mich, dabei stehe ich zwischen ihnen. Mir fällt es schwer, den Mund aufzumachen, um meinem Vater die Meinung zu sagen. Das einzige, was mir einfällt, ihm an den Kopf zu werfen, ist: „Du nervst!“ Ich fühle mich schwach und hilflos. Deswegen schreie ich den gleichen Satz ein zweites Mal in einem intensiveren Ton: „Du nervst!“- Mein Vater hört nicht auf. Er redet weiter auf mich ein und meine Wut quillt über. Ich würde ihn gerade am liebsten würgen wollen, aber ich reiße mich zusammen und meine Stimme bereitet sich auf einen dritten, letzten Schrei vor. Ich sammle meine Wut aus der Vergangenheit und aus der Gegenwart, aus der Kindheit, aus der Jugend und aus den aktuellen Jahren meines jungen Erwachsenendaseins und schreie ein allerletztes Mal: „Du nervst!!“
Mein Vater schaut mich mit rot unterlaufenen Augen an. Er versucht, sich größer zu machen, als er ist, aber ich gebe nicht nach und behalte meine konsequente Beharrlichkeit in der Aufrichtung meines Körpers. Mein Vater kontert mit den letzten Worten: „Was du nervst? Hast du keinen Respekt vor mir oder was? Wie kannst du dich so gegen mich auflehnen?! Was bildest du dir eigentlich ein?“
Ich spüre, dass ich keine Kraft mehr habe, etwas entgegenzusetzen und drehe mich auf die andere Seite zu Burak um. Mein erschöpfter Blick sendet einen Hilferuf an ihn. Burak schaut gleichgültig weg, sagt nichts und geht weg.
Am Hauptbahnhof: Wir befinden uns mindestens im Jahr 2150 und eine neue Technik hat sich in der Welt durchgesetzt, die ich nicht ganz verstehe. Auf dem Washingtonplatz ist ein Gebäude gebaut worden, das sich von alleine bewegt und in andere Dinge verwandelt. Nun beobachte ich gerade, wie das Gebäude sich in ein Boot verwandelt. Ich stehe dort mit meiner Katze und meinem Gepäck und weiß absolut nicht, was mich nun erwartet. Ich weiß auch nicht, wohin ich fahre oder warum ich überhaupt Berlin verlassen möchte. Meine Eltern stehen im Hintergrund und strahlen Ängstlichkeit, Widerwillen und Unverständnis aus. Ich schaue sie nicht lange an und drehe mich von ihnen weg, denn mich kümmern ihre Emotionen nicht.
David taucht auf einem Boot auf und streckt mir die Hand entgegen. Ich steige in das Boot, dann fahren wir gemeinsam weg.
David und ich spazieren durch eine absurd aussehenden Landschaft. Die Landschaft erinnert an den Süden von Europa, aber wir befinden uns in der Zukunft. Es scheint so, als befänden wir uns in einer apokalyptischen Episode der Weltgeschichte. Kein Mensch ist zu sehen und wir reden über unsere Traumata und halten Händchen, wie Geschwister, die sich emotional unterstützen.
Wir befinden uns in einem Zug. Während der Fahrt schauen wir auf die Landschaft, in der wir uns gerade noch befanden. Ich erzähle ihm, dass ich niemals das Leben meiner Mutter leben könnte und ich nicht verstehen würde, wie eine Frau ihr ganzes Leben auf das Leben ihres Mannes ausrichten könne, wenn sie die Wahl hat. Anstatt ihr eigenes Leben, ihre eigene Identität, ihre eigene Entwicklung, ihre eigene Gesundheit in den Mittelpunkt zu stellen, das Leben in einer heteronormativen Ehe, die sich nur um die Bedürfnisse des Narzissten dreht, vorzuziehen, erscheint mir einfach nicht nachvollziehbar.
Eine Kellnerin aus dem Boardrestaurant schenkt uns Filterkaffee in unsere leeren Tassen und sagt: „Weil sie davon überzeugt ist, nur genau diese Art von Liebe zu verdienen.“
Ich wache auf.