Ich wohne seit 5 Jahren in Deutschland und in diesen 5 Jahren habe ich viele neue Leute, neue Kulturen, neue Gedanken, eine neue Sprache, ein neues Land und neues Wetter kennengelernt. Ich fühle mich manchmal als neuer Mensch, besonders wenn ich lange Zeit auf Deutsch rede oder einen Film oder eine Serie schaue.
Manchmal fühlt es sich so an als würde in mir drinnen etwas fehlen, was mich reinzieht, sehr tief in mir, zu meiner Vergangenheit, wo ich ein Kind war und sagte: du bist immer hier und du wirst hier bleiben, ohne mich kannst du nicht du selbst sein, vergesse nie woher Du gekommen und was Du dort erlebt hast. Du, ohne mich bist du nicht. Denke nie, dass du durch das neue Land oder die neue Leute und die neue Sprache wieder geboren wirst oder sie dich zu einem neuen Menschen machen. Vergesse nie, dass man ohne seine Gedanken und Erinnerungen nicht existiert. Du bist wie du läufst, redest, denkst.. alles was du jetzt machst würde ohne mich nie existieren.
So ist mein Gespräch mit meinem Unbewusstsein, ich das Kind, das tief in mir lebt.
Das Jahr 2011 ist für uns, wir die syrische Gesellschaft, das neue wichtigste Datum unserer Leben. Seit dem reden wir über alles nur im Bezug auf vor 2011 und nach 2011. Besonders für die Generationen, die in den 80ern und 90ern geboren sind war dieses Jahr ausschlaggebend. Viele von uns waren da gerade mit ihrem Studium fertig und hatten angefangen ihre Karriere und Zukunft auf zu bauen. Die etwas jüngeren hatten gerade mit ihrem Studium angefangen und von einer Zukunft zu träumen.
Aber in 2011 hat die Revolution begonnen, hat unser Leben sich verändert. , Wir sind die junge Leute, die dafür bestimmt sind zu kämpfen. Wir haben nur zwei Möglichkeiten, bleiben und gegen den Tod kämpfen oder aus dem Land fliehen. Leider hatten die meisten von uns nur eine Möglichkeit und zwar gegen den Tod zu kämpfen, egal auf welcher Seite man steht.
In Deutschland habe ich das Sprichwort „MAN IST WAS MAN ISST“ gehört und konnte es sofort nachvollziehen. Ich habe immer gesagt, vor allem in Bezug auf meine Kunst, dass sich die eigene Persönlichkeit aus dem was man erlebst hat bildet. Ich habe das Sprichwort zu „MAN IST, WAS MAN ERLEBT“ geändert.
Ich beschäftige mich seit langem mit den Erinnerungen und versuche sie als Symbole auf die Leinwand zu bringen.
Für mich ist die Heimat nicht nur der Ort oder das Land wo wir geboren sind, sondern unsere Heimat ist auch unsere Gefühlswelt und was wir in unserem Alltag erleben.
Das Kind, das in Deutschland geboren ist, dessen Heimat ist Deutschland auch wenn seine Eltern einen Migrationshintergrund haben und er/sie nicht Deutsch als Muttersprache gelernt hat. Aber weil er/sie hier in Deutschland aufgewachsen ist und erwachsen wurde, wurde Deutschland zu seinem/ihrem Heimatsland. Unsere Heimat liegt in unserer Erinnerung.
Unsere Persönlichkeit wird von dem aufgebaut, was wir erleben. Wir suchen immer nach etwas, das uns komplett macht. Freude, Liebe, Spaß, Trauer. Alles was wir erleben, wird zu Symbolen in unserer Erinnerung. Ich versuche in meinen Arbeiten, diese Symbole in die echte Welt zu übertragen. Deswegen male ich viele Details. Ich möchte bei den Leuten, die meine Bilder betrachten, viele dieser Erinnerungen wecken. Sie sollen wiederentdecken, was sie vor Jahren erlebt haben und die Teile, die sie verloren hatten, wiederfinden.
In meinen Bildern habe ich versucht meine Erinnerungen an Freunde, Familie, an syrische Leute die ich nur über Facebook und Social Media kennengelernt habe und was ich in Syrien seit 2011 erlebt habe, einzuarbeiten.
Man findet in den Bildern viele Details. Manche Symbole habe ich als bewusst wiederbelebt, manche unbewusst.
In allen Bildern habe ich etwas Bestimmtes wiederbelebt und zwar eine weiße Linie. Die Linie symbolisiert das Leichentuch und das Leichentuch ist die eine bestimmte Sache die uns als Syrer, egal wo wir uns gerade befinden, verbindet.
Diese Arbeit wird eine Serie von 23 Bildern sein in unterschiedlichen Größen. 17 Bilder habe ich schon gemalt.
23 ist unsere Bevölkerungszahl bis 2011, wir waren 23 Millionen Menschen in Syrien.
