Für uns, die Studierenden der UdK, ist die Zukunft nicht in zehn, zwanzig oder fünfzig Jahren, sondern unmittelbar nach dem Studium. Als Künstler*innen, Designer*innen und Kreative finden wir uns in einer Gesellschaft und in einer Arbeitswelt wieder, in denen wir stärker und stärker dazu aufgefordert werden, innovativ zu sein, zu überraschen, zu begeistern und zu inspirieren. Ein unglaublich weiter, spannender Möglichkeitsraum öffnet sich vor uns, doch wie navigiert man sich da durch? Was sind mögliche Zukünfte für Absolvent*innen der UdK? Mit diesen Fragen im Hinterkopf werden wir jedes Semester mit Alumni der UdK sprechen und durch die Augen von denen, die in der Zukunft sind, einen Ausblick auf unsere eigene Zukunft wagen.
Den Auftakt des Alumni-Feature bildet ein Gespräch mit Frank Otto Dietrich und Ralf Schmidt-Bleeker, beide Ehemalige der Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation. Kurz nach dem Studium haben sie die WAALD Creative Group gegründet, mit der “strategischen Narrative” als Leitprinzip ihrer Praxis, und begleiten Unternehmen in den unterschiedlichsten Herausforderungen mit strategischer Beratung, digitaler Transformation und der Produktion von Creative Content. Sie arbeiten wie das Ökosystem eines Waldes, stets lebendig und anpassungsfähig an Veränderungen.
Der Begriff der Arbeit befindet sich seit den letzten Jahren in einem Wandel; eine ganz zentrale, daraus resultierende Frage für Arbeitnehmer*innen ist, warum sie in diesem Unternehmen arbeiten. Warum genau habt ihr WAALD gegründet?
Schmidt-Bleeker: Wir haben gemerkt, dass in den großen Agenturen Modelle für die Markenstrategie zum Einsatz kommen, die aus mechanistischen, betriebswirtschaftlichen Kontexten heraus entwickelt wurden. Dadurch werden Dinge, die eine Marke spannend machen und zum Erfolg führen, nicht abgebildet. Ganz im Gegenteil werden eher tote Strukturen hervorgebracht.
Wir haben nach einem Prinzip gesucht, das das Menschliche transportieren kann. Wir denken die Welt in Geschichten – das Prinzip der Narration bildet genau das ab. Wir folgen der Überzeugung, dass unsere Welt strategische Narrative braucht und entwickeln solche Narrativen für Wirtschaft, Politik und Kultur. Unser „Warum“ ist also, dass wir lebendige Dinge in die Welt bringen möchten und nicht Dinge, die am Ende Sachzwänge, Technokratie und tote Strukturen erzeugen.
Dietrich: Über dieses Prinzip haben wir auch ein Buch geschrieben. Wir wollten unsere eigene Gesetzmäßigkeit formulieren, weil die vorherrschende dieser Welt nicht zu dem passt, wie wir die Welt sehen. Diese eigenen Gesetzmäßigkeiten treiben uns immer noch an und sind Grundlage unserer Freiheit. Diese Freiheit führt dann zu einer lebendigeren, wertvolleren Welt, die wir mitgestalten.
Was macht für euch die Arbeit als Selbstständige aus? Was gefällt euch daran, was ist eventuell schwierig?
Dietrich: In einer eigenen Gesetzgebung zu leben, ist etwas ganz Wunderbares, aber es ist auch etwas ganz Schwieriges. Manches gelingt dir nicht sofort und dann ist die Welt natürlich auch gnadenlos, weil sie dir sagt: das funktioniert nicht, mach’s doch so wie wir’s immer gemacht haben. In dem Moment darfst du dir nicht die Flügel brechen lassen. Du musst versuchen, weiterzufliegen. Und wenn du dann fliegst, fliegst du auch alleine.
Schmidt-Bleeker: Wir glauben so sehr an das Prinzip der Eigenverantwortung, dass wir unsere Mitarbeiter*innen in eine Art Selbstständigkeit, also in eine Partnerschaft hineinführen. Die Idee dahinter ist, dass wir diese Selbstständigkeit als große Gemeinschaft sehen. Wir möchten mit unseren Menschen gerne Zielgleichheit haben, damit man nicht gegeneinander arbeitet.
Wandel ist ja meistens nicht durchgehend positiv, seid ihr auch schon auf Schwierigkeiten gestoßen?
Dietrich: Ich glaube, in Deutschland passiert gerade eine Krise. Wenn man sich diese Krise aus der Perspektive der Narration anschaut, dann bedeutet Krise eine unglaubliche Unsicherheit darüber, was Produkte sind, was Märkte sind und was Zukunft ist. Daraus ergeben sich ganz unterschiedliche Fragen: Wie führst du Menschen, wenn du ihnen den Weg gerade nicht zeigen kannst? Woher kommt dann der Antrieb? Er muss aus dir selbst kommen, und zur Zeit müssen sich Unternehmensführung und Unternehmensstrategie ganz stark mit dem Thema „Purpose“ auseinandersetzen. Aber sobald man Klarheit über diese Unklarheit hat, kann man freie, selbstbestimmte Arbeitsräume schaffen, in denen Mitarbeiter*innen aus innerem Antrieb handeln und motiviert sind.
Und wie schafft ihr es, euch trotz des ständigen Wandels in Kultur und Gesellschaft immer wieder neu anzupassen?
Schmidt-Bleeker: In unseren Gründungstagen haben wir entschieden, wie wir eigentlich wachsen wollen: wie ein Ökosystem, ein Körper mit verschiedenen Logiken. Eben das ist dann die Waldmetapher – auch wenn es etwas kitschig ist. Wir nutzen diese Metapher, um unsere Organisationsart zu veranschaulichen. In einem Wald wachsen unterschiedliche Pflanzen, mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten und mit unterschiedlichen Wachstumszielen. Durch diese Denkweise sind wir responsiver gegenüber Veränderungen als andere; selbst wenn ein Baum umfällt, entsteht da neues Leben. Wir haben uns Strukturen aufgebaut, sodass wir Veränderungen folgen können und diese nicht an uns vorbeiziehen.
Wann habt ihr das Thema „Narrative“ für euch entdeckt? Gab es so etwas wie einen Schlüsselmoment?
Dietrich: 2007 war das glaube ich, aber die Thesen haben wir schon im Rahmen des Studiums entwickelt. Vor dem Studium haben wir bereits Erfahrungen mit strategischer Planung in Werbeagenturen gesammelt. Dadurch gab es schon die Auseinandersetzung mit dem Thema der Narrative. Im Anschluss an unser Studium ab 2009 haben wir diese Gedanken ausformuliert.
Was war die größte Herausforderung für euch, WAALD zu gründen?
Dietrich: Ganz viele Dinge natürlich. In Deutschland ein Unternehmen gründen – da wird einem ganz schön viel in den Weg gelegt. Ein großes Thema sind formale Hürden. Wenn man anfängt, oszilliert alles zwischen verrückten Erwartungen und dystopischen Absturzszenarien.
Die Wahrheit aber ist, dass es ein echt langsamer Weg ist. Dieses Managen deiner eigenen neuen Erfahrungen als Unternehmer, das ist eine wahnsinnige Herausforderung. Und natürlich musst du Glück haben, dass du mit dem richtigen Partner zusammen bist. Das ist wie in allen Dingen im Leben.
Wenn jetzt UdK-Studierende selbst den Traum haben, irgendwann mal ein Unternehmen zu gründen, was würdet ihr ihnen raten?
Dietrich: Ich muss sagen wir profitieren extrem davon, dass wir uns am Anfang sehr viele Gedanken gemacht haben. Im Start-up-Kontext werden Strategie und Planung oft verpönt. Dort geht es meistens ums Machen und Ausprobieren, was natürlich auch wichtig ist. Durch unsere Planung waren wir zwar vorne heraus relativ langsam, haben uns dadurch aber eine wahnsinnige Nachhaltigkeit aufgebaut.
Schmidt-Bleeker: Das GWK-Studium ist sehr geprägt von Gruppen- und Teamarbeit, wobei sich die verschiedensten Konstellationen ergeben. Wenn man dort – und das war bei uns beiden so – jemanden kennenlernt, bei dem man merkt, man pusht sich gegenseitig und erzielt gemeinsam gute Resultate; dann aber noch einmal ganz klar bewertet: finde ich denjenigen einfach nur sympathisch oder funktioniert es auch auf professioneller Ebene? – dann ist es so wertvoll, dann lohnt sich auch eine Gründung, was immer man dann gemeinsam macht.
Welche Themen der GWK begleiten euch noch bis heute?
Schmidt-Bleeker: Das gesamte Strategieverständnis, also der Gedanke der Strategie als Erzählung, basiert komplett auf der GWK. Das Narrationsthema kommt zum Beispiel ganz stark aus dem Bereich der verbalen Kommunikation. Die Anknüpfungspunkte sind unzählbar.
Ich würde GWK ja sofort wieder studieren. Einfach nochmal!
Den Höhepunkt bildet im GWK-Studium ja das Kommunikationsprojekt. Wisst ihr noch, was ihr damals gemacht habt?
Dietrich: Klar! Damals fand gerade der Beitritt von Rumänien in die EU statt. Wir haben für das Land Rumänien einen Nation Branding Prozess reflektiert und entwickelt.
Schmidt-Bleeker: Der Auftraggeber war allerdings nicht das Land, sondern das Museum für zeitgenössische Kunst in Bukarest, das Muzeul Național de Artă Contemporană. Deswegen stand die Reflexion im Vordergrund, wobei wir uns viel mit der Frage auseinandergesetzt haben, was denn überhaupt ein guter Ansatz im Nation Branding ist. Da wird wiederum deutlich, wie wichtig Erzählung ist, denn wenn man mit alten Markenmodellen an diese Fragestellung herangeht, also was ist der Markenkern oder wie steuern wir diese Marke, dann kommt man nicht weit.
Dietrich: Während wir den Prozess reflektiert haben, der in Rumänien tatsächlich stattgefunden hatte, haben wir schon erste Thesen entwickelt. Wir haben dann fast einen Monat vor Ort daran geforscht. In Bukarest haben Ralf und ich uns auch mehr oder weniger so richtig kennengelernt.
Um nochmal ganz an den Anfang zurückzuspringen: Was war eure Motivation, GWK zu studieren?
Dietrich: Ich fand an der GWK diese Gegebenheit von einem Theoriestudiengang an einer Kunsthochschule sehr attraktiv und habe mich dort wiedergefunden. Ralf hat das schon gesagt, er würde es immer wieder studieren. Ich würde das auch sofort unterschreiben. Manchmal bin ich ein bisschen traurig, weil wir teilweise durch unser Studium fast durchgehetzt sind. Rückblickend war das eine wahnsinnig schöne Zeit und die Inhalte, die dort schlummern, sind so wertvoll.
Schmidt-Bleeker: Nachdem ich eine betriebliche Ausbildung zum Mediengestalter gemacht und ein Jahr in einer Werbeagentur gearbeitet habe, habe ich festgestellt, dass mir da etwas fehlt. Ursprünglich habe ich gedacht, dass man mit so einer Mediengestalter[*innen]ausbildung an den großen Fragestellungen arbeitet, die die Marke und die Kommunikation betreffen. Ist aber überhaupt nicht so.
Deswegen habe ich angefangen, an der Humboldt-Universität BWL zu studieren. Aber was ich dort vorgefunden habe, waren größtenteils Graphen und Formeln, die uns als Antwort auf Wirtschaft und Strategie präsentiert wurden. Für mich war relativ schnell klar, dass das nicht das Richtige für mich war. Dann kam ich zur GWK, fand die Konfiguration der Inhalte interessant und habe mich so dort eingeschrieben.
Wisst ihr noch, was euer Eindruck im ersten Semester vom GWK-Studium war? Für uns war das teilweise ein Gefühl von Orientierungslosigkeit gegenüber all den vielen Richtungen, die uns angeboten wurden. Wie war das bei euch?
Dietrich: Bei uns gab es „Pat[*inn]en“, also Zweitsemester, die sich um die Erstsemester gekümmert haben. Ich habe mich sofort in ein höheres Semester verliebt und habe dann natürlich immer bei ihr nachgefragt.
Schmidt-Bleeker: Das war ein Grund anzurufen, was?
Wenn ihr jetzt an die Zeit an der UdK zurückdenkt, welche Momente oder Erfahrungen gab es, die besonders herausstechen?
Schmidt-Bleeker: Mir fällt da sofort ein Strategiespiel ein, das von Bundeswehrsoldat*innen angeleitet wurde. Ich war damals das ärmste Land im Spiel. Es gab dann bestimmte Parameter, womit man sich verbessern konnte, und ich weiß noch ganz genau, dass ich das Thema „Armut“ gelöst hatte und dadurch hinterher wirtschaftlich am besten dastand. Das wiederum lag an den Reden, die wir überzeugend gehalten hatten. Was erneut beweist, dass die Erzählung am Ende das ist, was Realität wird.
Dietrich: „Produktion von Romanfragmenten“ fand ich super. Oder die Partys zum Rundgang. Das Einbrechen in die UdK, weil die Schlange zu lang ist.
Habt ihr noch einen Ratschlag für uns, die gerade GWK studieren, den ihr uns mit auf den Weg geben könntet?
Dietrich: Inhaltlich müssen wir euch ja das Thema „Narration“ nahelegen. Das ist so allgegenwärtig, wenn man sich Themen anschaut wie den Klimawandel, der ja ein Problem ist, mit dem sich zukünftige Generationen zwangsweise auseinandersetzen müssen. Angefangen bei der Fragestellung, was ist denn eigentlich Klimawandel? Da findet mehr oder minder ein Kampf der Narrative statt. Wenn wir diese Problematik wirkungsvoll lösen wollen, braucht es eine Einigung auf eine Erzählung, was der Klimawandel genau ist und wohin er führen kann.
Schmidt-Bleeker: Ich finde, eine schöne Möglichkeit bei der GWK ist es, sämtliche Fachbereiche thematisch zu verknüpfen. Egal, woran man interessiert ist und was man nach dem Studium machen möchte, kann man sich in der GWK ein schönes Arsenal an Content zusammenstellen, auf das man immer wieder zurückgreifen kann.
Dietrich: Und noch als „großväterlicher Rat“ an euch: Es ist einfach die beste Zeit. Haltet Leute, die ihr gern habt, fest, als Freund*in, oder auch als mögliche*r Kollaborations- oder Geschäftspartner*in. Aber seid euch dessen immer im Klaren, dass es ein ganz großes Glück ist, GWK zu studieren.
Mehr über WAALD: https://waald.com/