
Werk von Ticia Tanne
Photo: Anneliese Greve
Wie bist du zur nachhaltigen Kunst gekommen?
Vor etwa 2 Jahren habe ich eine Doku über Plastikverschmutzung in den Meeren gesehen. Ich muss ehrlich zugeben, dass es das erste Mal war, dass ich bewusst wahrgenommen habe, was auf dem Planeten passiert. Es war ein Weckruf für mich. Das war vor meiner Bewerbung an der UdK. Zu dem Zeitpunkt wusste ich überhaupt noch nicht, was ich in meiner Mappe zeigen wollte. Nach der Dokumentation wusste ich nur eins: Ich muss auf das Thema aufmerksam machen. Als ich dann nach einer intensiven Arbeitsphase völlig übermüdet die Mappe abgegeben habe, war mein einziger Gedanke: Auch wenn sie nur flüchtig die Arbeiten überfliegen, solange ich kurz ihre Aufmerksamkeit auf das Thema lenken kann, bin ich schon zufrieden. Egal, ob sie mich annehmen oder nicht.
Was hast du in der Mappe und in der Prüfung gezeigt?
In der Mappe waren es hauptsächlich Fotocollagen. Damals habe ich noch ganz anders gearbeitet. Der ökologische Aspekt vom Material spielte für mich noch keine Rolle. Um das Thema Plastik zu verdeutlichen, habe ich meine ganze Mappe mit Tesafilm zugeklebt. Also mit jeder Menge Plastik. Jetzt muss ich überlegen, wie ich sie am besten wiederverwerte.
In der Prüfung war es mir wichtig, dem Thema Umwelt viel Raum zu geben. Dabei sollte der Mensch eher eine untergeordnete Rolle spielen. Meiner Meinung nach nimmt der Mensch viel zu viel Raum ein. Sei es auf der Erde oder in der Kunst. Wir vergessen oft, dass wir nicht die einzigen wichtigen Lebewesen auf dem Planeten sind. Ich möchte daran erinnern. Als wir die Aufgabe – City West – erhalten haben, war mein erster Impuls, in den Zoo zu gehen. Danach war ich im KaDeWe. City West, das war für mich ein kleiner Park mit eingesperrten Tieren neben der größten Konsumburg. Dort, wo ironischerweise in jenem Sommer jede Menge Polyesterbekleidung mit Naturprints im Trend waren, die in Osteuropa hergestellt und für sehr viel Geld angeboten wurden.
Meine Arbeit, die ich abgegeben habe, war eine symbolträchtige und gesellschaftskritische Collage aus jeweils beiden Elementen. Das war mein Startschuss zur nachhaltigen Kunst.

Werk von Ticia Tanne
Photo: Anneliese Greve
Was genau bedeutet es für dich, ein ECO Artist zu sein?
Für mich geht es bei ECO Art in erster Linie um den bewussten ökologischen Umgang mit dem Material. Wenn ich ein Kunstobjekt machen möchte, frage ich mich wie jede Künstlerin und jeder Künstler auch, welches Material brauche ich oder mit welchem Material möchte ich experimentieren. Das ist aber nicht alles. Es ist nämlich auch wichtig zu fragen, wo das Material herkommt und welche Ressourcen dafür genutzt wurden. Das fängt beim Papier an. Hinterlässt mein Papier, das ich benutzen möchte, ein Loch im Regenwald? Das ist für mich wichtig zu wissen, denn ich möchte nicht, dass meine Kunst noch mehr Schaden anrichtet.
Und was ist mit Farben?
Bei Farben genauso. Wo kommen die Pigmente her? Wie werden die Plastikbehälter und Alluminiumtuben, in denen Farbe ist, entsorgt? Außerdem wird kaum darüber gesprochen, dass es sich bei Acrylfarbe auch um Plastikfarbe handelt und diese niemals im Waschbecken ausgespült werden darf, weil sonst Mikroplastik ins Abwasser gelangt. Das lässt sich nicht rausfiltern und gelangt somit in den Wasserkreislauf. Wenn man es schon benutzen möchte, ist es wichtig die Pinsel in einem Behälter auszuwaschen und das Wasser dann verdunsten zu lassen. Am Ende entsteht immer noch Plastikmüll, aber wenigstens haben wir es nicht in unserem Trinkwasser.
Ich habe mal gesehen, dass du mit Roter Beete malst. Du hast sie während der Klimawoche an den Wänden benutzt. Wie bist du auf die Idee gekommen?
Das gehört zu einem Projekt von mir.Ich versuche so gut es geht regional und saisonal zu arbeiten. Das bedeutet, ich arbeite mit Materialien, die zu bestimmten Jahreszeiten zu Verfügung stehen. Im Winter arbeite ich mit alten Weihnachtsbäumen. Die rote Beete gehört zum Herbst, weil sie vom September bis November geerntet wird. Ich mache dann daraus Tinte und Pigmente. Die rote Beete wird komplett verwertet. Für die Tinte benutze ich nur Regenwasser.
Regenwasser? Das muss bestimmt schwer sein?
Ja, es dauert eine Weile. Aufgrund des Klimawandels regnet es in Berlin immer seltener. Das merke ich, wenn ich Regenwasser sammle. Das wiederum beeinflusst meine Tintenproduktion. Somit wird meine weitere Arbeitsweise von den Naturgegebenheiten beeinflusst. Dabei passe ich mich bewusst diesen Einschränkungen an. Ich muss mich dem Material anpassen, nicht umgekehrt.

Werk von Ticia Tanne
Photo: Anneliese Greve
Und was ist mit anderen Materialien. Machst du die auch selbst?
Das möchte ich. Mein Verständnis von nachhaltiger Kunst ist darauf zu achten, wie das Material meiner Kunst produziert wurde. Wenn ich also mein Papier, meine Farben oder meine Leinwand selbst herstelle, weiß ich sofort welche Rohstoffe enthalten sind und wie viel Energie dafür genutzt wurde. Somit bin ich bei einem wichtigen Entstehungsprozess mit involviert und kann mit gutem Gewissen das Material weiterverarbeiten. In der Kunst gehört die Auseinandersetzung mit dem Material immer dazu. Doch wo die Rohstoffe wirklich herkommen und wie sie hergestellt wurden, damit setzen sich glaube ich nur wenige Künstler*innen auseinander.
Du benutzt recyceltes Papier und machst deine Farbe selbst. Wie gehst du damit um, dass sie nicht für immer halten?
Damit wird meine Arbeit vergänglich. Das soll sie auch sein. Wie das Leben auch. Warum sollte meine Kunst für immer leben? Bei der Roten Beete ist es die Lichtempfindlichkeit, die als Problem angesehen wird, beim Recycling-Papier, dass es sich zersetzen wird. Ich finde diese „negativen“ Eigenschaften spannend, denn sie helfen mir widerzuspiegeln, wie zerbrechlich unsere Welt ist. Die Erde wird immer instabiler. Meine Kunst auch.
Kunst für die Ewigkeit zu konservieren ist nicht besonders umweltfreundlich – sei es im Museum oder beim Kunst Machen.
Zum Beispiel, um Kohle auf Papier zu stabilisieren, wird ein Fixaktiv benutzt. Im schlimmsten Fall sogar Haarspray. Was passiert mit der Dose und welche Schadstoffe sind da drinnen? Will ich diese Dinge wirklich benutzen, nur damit meine Kunst länger hält? Ist es das wert? Mir ist es nicht wert, etwas zu benutzen, das höchstwahrscheinlich umweltschädlich ist. Und solange ich keine Alternative gefunden habe, fixiere ich nicht. Auch wenn das Risiko besteht, dass meine Kunst zerstört wird.
Was genau willst du damit sagen?
Ich finde in unserer heutigen Zeit stellt sich mehr denn je die Frage: Darf Kunst alles? Auch auf Kosten der Umwelt? Ein Kunstobjekt ist mehr als ein Ausdruck von Gefühlen oder das Festhalten von Ereignissen. Es ist auch ein Gegenstand der aus Rohstoffen zusammengesetzt ist. Diese Rohstoffe werden aus der Erde entnommen und verarbeitet. Ist es da nicht wichtig zu wissen, auf wessen Kosten?
Du arbeitest nicht in deinem Atelier der UdK, sondern draußen im Hof. Warum?
Als Protest. Ich boykottiere die Innenräume, weil die UdK keine nachhaltige Institution ist. Solange der Strom und die Wärme nicht zu 100 % aus nachhaltigen Ressourcen kommen, kann ich das Licht nicht anmachen oder die Maschinen in den Werkstätten benutzen. Denn wenn ich das mache, wird meine Kunst zur „Dirty Art“. Kunst, die die Umwelt verschmutzt. Das will ich nicht.

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Photo: Anneliese Greve
Für mich ist die ökologische Auseinandersetzung mit Ressourcen und die damit resultierende Frage, ob ich ein Kunstobjekt dennoch produziere oder eben nicht, ein neue Form von dem Kunstverständnis. Auf ein Material bewusst zu verzichten, stellt mich vor Herausforderungen. Bis jetzt hat mich dieser „Verzicht“ zu sehr aufregenden Entdeckungen geführt. Und geht es in der Kunst nicht auch immer um das Entdecken neuer Ausdrucksmöglichkeiten?
Wie sehr wird man als Künstler*in heute noch wirklich herausgefordert, wenn man all das Material benutzt, das man unbedingt braucht. Ich hoffe, dass Eco Art die nächste Kunstbewegung wird.
Kann Kunst den Planeten retten?
Das hoffe ich. Das Wichtigste aber ist, dass sie dem Planeten nicht noch mehr Schaden zufügt.